„Wir alle sind nur Gedanken, umhüllt von mit Wasser getränktem Staub.“
„Doch Staub kann zu Fels werden.“
„Das ist richtig, Junge.“
„Wenn Fels und Wasser harmonieren, gelenkt von Gedanken, können sie die Welt verändern.“
„Du sprichst, als wärst du längst eingegangen, in die Reihen der Altvorderen, in die Reihe der weisen Könige.“
„Sag mir, von welcher Weisheit sprichst du? Von der Weisheit, die versagte, als es galt, das Land einig zu halten? Oder von der Weisheit, die versagte, als es galt, Majora zu vernichten? Oder gar von der Weisheit, die Majora und all die anderen Dämonen davor, erst in unsere Welt gelassen hat?“
„Wohl wahr.“, seufzte Chaliém.
„Dann sage nicht, ich würde wie einer von ihnen sprechen.“
„Das sage ich nicht. Oder habe ich gesagt, dass du wie ein blinder Trottel sprichst? Ich kann dir deine Mutter nicht zurückbringen. Aber ich kann dich auf dem Weg zu deiner Bestimmung, die sie kommen hat sehen, begleiten. Du hast ihn ziehen lassen. Ein schwerer Schritt. Für euch beide. Schwerer, als euch womöglich bewusst ist. Aber nötig. Er wird zurückkehren, wenn er beginnt, zu verstehen, was euch wirklich verbindet.“
„Und was verbindet uns?“
„Schicksal. Ein Schicksal, von dem ich meinen möchte, dass selbst die Götter seiner nicht habhaft sind. Es wird der Tag kommen, an dem du dich gezwungen siehst, damit aufzuhören, dein Blut zu verleugnen – deine Macht zu verleugnen – dich selbst zu verleugnen.“
„Aber ich bin keiner von denen!“
„Nein, das bist du nicht. Sie sind Teil von dir! Das Schicksal hat Großes mit dir vor. Die Goldenen Göttinnen auch. Für welche Seite du dich am Ende entscheidest, wird sich zeigen. Ich kann dir nur sagen, es wird Blut vergossen werden. Es wurde immer Blut vergossen. Seit jeher. Dem kannst du nicht entweichen. Doch du wirst selbst erkennen, wann es nötig ist.“
„Ich werde niemals Blut vergießen.“
„Das hast du bereits. Nicht hier im Uhrturm, aber in einem anderen alten Gemäuer dieser Stadt.“
„Sei still.“, fauchte Kafei, Wut, Angst und Verzweiflung in sich aufkochen spürend.
„Es wird noch mehr Blut fließen. Durch deine Hände.“
„Sei still!“
„Doch es wird nicht das Blut Unschuldiger sein. Das ist es, das dich von den anderen unterscheidet. Das Streben nach Gerechtigkeit, nicht nach Rache. Es wird dich genauso zum Mörder machen, aber zu einer anderen Art Mörder. Du wirst nicht gut damit leben können, aber besser als die anderen, sofern sie ein Gewissen hatten. Hast du meine Worte nun verstanden, oder muss ich sie abermals wiederholen?“
„Kafei?“
Link’s Stimme, das Rattern der Zahnräder und das Rauschen des Wassers zu übertönen versuchend, riss ihn wieder zurück in die Gegenwart. Dennoch drehte er sich nicht zum Tor um. Dieses schloss sich von selbst, als Link eintrat.
„Warum hab ich gewusst, dass du hier bist. Alles in Ordnung?“
„Er hat es gewusst.“
„Wer? Was?“
„Damals, am Tag meiner Hochzeit, nachdem ich dich zurück nach Hyrule geschickt habe. Du weißt doch – Chaliém – “
„Ja. Er hat hier auf dich gewartet. Das hast du mir erzählt.“
„Aber ich habe nie ein Wort darüber verloren, was er mir gesagt hat. Er hat mir genau das gesagt, was passiert ist.“
„Und was?“
„Unter anderem, dass wir durch das Schicksal verbunden sind. Dass mir große Last bevorsteht. Dass auch an meinen Händen Blut kleben wird, so wie an den Händen meiner Vorfahren. Dass durch meine Hände Blut vergossen werden wird.“
„Aber nicht das von Unschuldigen.“
„Das hat er auch gesagt.“
„Wenn man davon ausgeht, dass diese Ziege sich was zu schulden kommen hat lassen,“
„Link – “, ignorierte er ihn. „Sein Tagebuch – er hat es mir bewusst zugespielt. Er hatte die Gabe des Sehens, wie meine Mutter. Nun ist es an der Zeit, dass wir sehen lernen, was er gesehen hat. Ich glaube, nur wenn wir alles, was in diesem Buch steht, bis ins letzte Detail verstanden haben, können wir in der Lage sein, unsere Seite zu wählen.“
„Und welche ist das?“
„Ich habe es damals nicht verstanden. Aber er hat gesprochen, als wären die Götter und das Schicksal zwei verschiedene Dinge.“
„Und wofür werden wir uns entscheiden?“, Kafei drehte sich endlich zu Link um und sah ihm tief in die Augen.
„Für keine dieser Seiten, denke ich.“
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Der große Tag rückte Stück für Stück näher. Es gab inzwischen fast nichts mehr, das Link seiner Schwester nicht erzählt hatte. Auch sie war sehr in Details über ihr, ihrer Meinung nach, sehr langweiliges Leben auf den Inseln abgedriftet. Link jedoch fand es interessant. Er mochte den Schmuck, den sie machte. Hauptsächlich waren es aber Kafei und Taya, die davon angetan waren. Er hatte sich und seiner Tochter gleich jeweils ein ganzes Kästchen von Aril’s selbstgemachtem Schmuck gekauft. Doria war durchaus schon eifersüchtig, was an Aril nicht vorbeiging, wenn sie es auch oberflächlich nicht beachtete. Es gefiel ihr sehr, wie die andere Frau um ihre Aufmerksamkeit zu kämpfen versuchte.
Alle saßen in Schloss Ikana beim Abendessen und sprachen über Zelda’s Hochzeit. Das vorangegangene Thema hatten Kafei und Link jedoch interessanter gefunden. Aril hatte ihnen endlich erzählt, dass es auch auf der Insel eine Invasion gegeben hatte und somit Din’s Worte bestätigt. Die meisten hatten in die Höhlen flüchten können. Link hatte sie zwar gefragt, ob sie von einem Spiegel oder Portal wusste, doch sie hatte – es geleugnet, wie er von Kafei telepathisch wusste. Er hatte sie dennoch nicht vor allen bedrängen wollen und beschlossen, sie nach dem Essen darüber auszufragen. Kafei war ja wieder einmal zu diskret.
Also sprachen sie über Geschenke, Kleidung und Anreise. Das Thema Geschenke wurde eigenartigerweise sehr schnell abgehandelt. Es sollte schlichtweg keine geben und Zelda würde damit leben müssen. Von Vaati wussten alle, dass ihm ihr Kommen mehr wert war als alles andere. Für die Anreise hatten sie entschieden, die Alten Wege zu nehmen. Nur Kafei wollte unbedingt mehr von Hyrule sehen. So hatte Link ihm angeboten, früher mit ihm loszureiten und den Weg über Ordon einzuschlagen.
Neben seinen Kindern war er wohl am meisten von der ganzen Angelegenheit begeistert. Zwar war er nicht eitel, aber er liebte es doch sehr, aus der Masse herauszustechen und die vollste Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu genießen. Das hatte ja schon einmal fast zum Ende der Ehe zwischen seinem Vater und Esra geführt. Umso mehr hatte es ihn gewundert, dass sie ihn am Maskenball des Vorjahres – dass aufgrund der Invasion verlorene Jahr, wurde im Alltag bekanntlich nicht gerechnet – nicht erkannt hatte.
Er hatte sich damals eine billige, auswaschbare, schwarze Haarfarbe gekauft und sich von Ydin ein doch etwas aufreizendes, aber dennoch schlichtes Kleid nähen lassen. Schon damals hatte sie ihm ein Mieder gefertigt, das er mit Socken ausstaffiert hatte. So war er auf den Wochenmarkt gegangen und hatte selbst seine Freunde verwirrt. Sie wussten bis heute nicht, wer dieses freche Shiekah-Gör gewesen war, das sie zuerst in ihren Bann gezogen hatte, um sie dann öffentlich zu demütigen und sich vom amüsierten Bürgermeister davon geleiten hatte lassen, den sie eine Stunde später vor aufmerksamem Publikum demonstrativ geküsst hatte.
Natürlich war sein Vater auf das Spiel eingestiegen. Leider war Esra zufällig persönlich dazugestoßen. Sie war zuerst geschockt, dann wütend und anschließend verwirrt gewesen. Geschockt wegen des Anblickes, wütend als ihr bewusst geworden war, was sie zu sehen geglaubt hatte und verwirrt, als sein Vater sie kichernd nach Hause gezerrt hatte, wo auf wundersame Weise auch die vermeintliche Liebschaft gewartet hatte, die sie zurückgelassen hatten. Nur, dass sie kein Kleid mehr trug sondern einfach nur gelassen vor dem Kaminfeuer gesessen hatte und sich als Kafei selbst herausgestellt hatte. Dieser erschrak, als er bemerkte, dass nur sein Vater noch am Tisch saß und ihn regelrecht hypnotisierte.
„Was?“
„Nichts. Ich frage mich nur, was dich beschäftigt. Ich will nicht so unhöflich sein und es aus dir heraussaugen.“
„Wo sind die alle hin verschwunden?“
„Das habe ich gemeint. Welche Gedanken haben dich so in ihren Bann gezogen?“
„Ach – nur – du weißt schon, als wir Esra zum Narren gehalten haben.“
„Welches Mal?“
„Das drastischste Mal.“
„Du – ach ja. Du meinst, als du mich in der Öffentlichkeit als Frau verkleidet geküsst hast?“
„Genau.“, seufzte Kafei und Dotour erschrak, da sein Sohn plötzlich auf seinem Schoß saß, die Arme um seinen Hals legte und das Gesicht an seines schmiegte.
„Ach, mein Junge.“, lächelte Dotour und legte seine Arme um Kafei’s Rücken, ihm mit der linken Hand den Hinterkopf streichelnd. „Was täte ich nur ohne dich?“
„Keine Ahnung?“
„Ich denke, ich wäre ziemlich alleine.“
„Aber Esra ist doch da.“
„Das ist nicht das Selbe.“
„Wie denn auch.“
„Du bist der Einzige, der mir wirklich Trost spenden kann, wenn ich ihn brauche. Das ist eine der vielen wundervollen Eigenschaften, die du von deiner Mutter geerbt hast. Ich wünschte, sie könnte dich jetzt sehen.“
„Das kann sie, da bin ich mir sicher. Ich weiß. Ich vermisse Mutter auch noch immer. Aber wir werden ihr wieder begegnen. Daran glaube ich. Es – macht den Schmerz erträglicher.“
„Ich wünschte auch, ich hätte deinen Optimismus. Ihren Optimismus. Ich vermisse sie so sehr – ich denke, ohne dich wäre ich auch längst nicht mehr hier. Ich wäre vermutlich vor langer Zeit ins Exil – oder gar in den Tod gegangen.“
„Sag das nicht.“
„Du hast ja keine Ahnung, wie sich das angefühlt hat, als du gestorben bist.“
„Doch. Zwar nicht ganz so sehr, aber immerhin zum Teil.“
„Ich wünsche euch Dreien von ganzem Herzen, dass ihr gemeinsam sterben dürft.“
„Das wünsche ich mir auch.“
„Ich will nämlich nicht, dass du so leiden musst wie ich. Es ist unfair. Zwar habe ich meinen festen Glauben an die Göttinnen verloren, doch Din hat zumindest meine ewige Dankbarkeit wiedererlangt. Dennoch werde ich ihnen nie verzeihen, dass sie damals einfach zugesehen haben. Sie haben es einfach zugelassen. Sie hätten einschreiten können, aber haben es nicht. Es sind die Göttinnen, die Ajrini getötet haben, nicht Majora. Sie haben es einfach zugelassen, dass sie mir dieser Dämon genommen hat. Ihr beide seid die Einzigen, die ich je von ganzem Herzen geliebt habe. Und nichts kann dieses Loch füllen, das sie zugelassen haben.“
Nach so vielen Jahren solche Worte nicht zu verstehen, würde schon an ein Wunder grenzen. Auch war vor dem offenen Tor des Speisesaals kein Platz für Wunder. Nicht in diesem Moment, als sie leise und unbemerkt davonschritt.
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Es war ein sonniger Tag. Kaum eine Wolke stand am Himmel und die Sonne ließ Link’s schulterlanges Haar golden glänzen. Gebannt betrachtete Kafei das Schimmern, während er gelassen neben ihm herritt. Link spürte seinen Blick und lächelte ihm zu. Er streckte seinen rechten Arm aus und Kafei griff noch breiter lächelnd nach seiner Hand.
Auf der Ranch war niemand zu sehen, was Link doch recht ungewöhnlich fand. Gemächlich ritten sie weiter gen Dorf, wo schon weitaus mehr los war. Sie erschraken leicht, als drei Kinder lachend zwischen den Pferden hindurchliefen, mehr darauf bedacht, einander zu fangen, als ihre Umgebung zu beobachten. Ein Junge trottete mahnend hinterher, erhielt aber keinerlei Reaktion. Er blieb jedoch fassungslos stehen, als er sah, wer auf einem der Pferde saß. Plötzlich fing er grinsend an zu rennen. Link stieg nicht weniger grinsend ab und kniete sich mit ausgebreiteten Armen hin, da hing ihm Colin schon wie ein Sack um den Hals. In diesem Moment bemerkten auch die anderen was los war und rannten fast den ebenfalls absteigenden Kafei um, als sie sich auf Link stürzten.
„Was ist denn hier los?“, Boro lugte aus seinem Haus, bemerkte aber recht schnell, was es war. „Link ist wieder da!“, brüllte er lautstark ins Dorf hinein, bevor er freudig lachend auf ihn zuging.
Binnen kürzester Zeit hatte sich das gesamte Dorf um Link geschart. Alles wollte ihn gleichzeitig umarmen. Wenn Kafei nicht blaue Haare gehabt hätte, hätten sie ihn vermutlich gar nicht gesehen. Er nahm es gelassen und beobachtete einfach nur mit einem Lächeln auf den Lippen die gesamte Situation. Als letzter war Moe dran. Er drückte Link wohl am längsten und festesten.
„Was hat dich denn geritten, damit du uns mal wieder besuchen kommst?“, lachte er.
„Hm.“, Link wusste nicht recht, welchen dummen Kommentar er dazu abgeben sollte, ließ es aber sein. „Was hältst du von Schuldgefühlen?“
„Nicht viel.“, meinte Moe nur.
„Gut. Ich auch nicht. Und trotzdem plagen sie mich Tag ein, Tag aus. Eigentlich wollte ich nur Kafei – “, er deutete auf ihn, „Endlich mal Hyrule zeigen, da wir dank gewisser Umstände leider noch nicht zu einem gemeinsamen Durchritt gekommen sind und folglich hat er darauf bestanden, auch Ordon zu sehen.“
„Das ist also der junge Herr, der dich wieder von uns weggelockt hat?“, sie schüttelten einander die Hände.
„Sieht so aus, ja.“, kicherte Kafei und alle waren etwas perplex.
„Kafei!“, hauchte Link. „Seit wann kannst du – “
„Kann ich nicht. Aber es ist nicht wirklich schwer, wissen über Sprachen aus anderen Köpfen zu saugen und sich somit das was man braucht, zu übersetzen.“
„Wa- sagst du das auch denen, deren Sprachen zu klaust?“
„Sollte ich?“, grinste Kafei.
„Wie jetzt – “, fragte Moe. „Du saugst Wissen aus Köpfen? Wie darf man das jetzt verstehen?“
„Telepathisch.“
„Und das – das könnt ihr alle? Alle Shiekah, meine ich?“
„Nicht direkt. Es verlangt jahrelange Übung.“
„Hm. Aber sagt mal – ihr beide seid wirklich – ein Paar?“
„Ja.“, kam es gleichzeitig von ihnen.
„Und du bist – ?“, er deutete auf Kafei’s Diadem.
„Eine rechtlich nicht ganz definierbare, sehr skurrile Mischung aus Bürgermeister und König.“
„Das musst du mir jetzt erklären.“
„Anfangs hab ich den Posten als Bürgermeister von Unruhstadt von meinem Vater übernommen. Da Termina in gewissermaßen fünf autonome Regionen unterteilt ist, ist man als Oberster in der Hauptstadt somit auch zuständig für landesübergreifende Angelegenheiten. Ikana allerdings ist ein Sorgenkind. Das Residenzdorf mitsamt Canyon war immer umstritten. Da es keine klare Abgrenzung zu Termina gab, haben die Shiekah versucht, es durch Zäune klar zu machen. Auch ist es ohne Erlaubnis nicht möglich, den eigentlichen Canyon zu betreten. Außer man kann problemlos eine riesige Felswand überwinden, natürlich. Nach dem Tod von König Igos, hat eben jener Teil rein theoretisch also zu Termina gehört. Das Königreich Ikana ist jedoch viel größer. Das gesamte Hinterland; wie viele, leider auch ich oft, es falsch nennen; gehört dazu, von einer Wüste zur anderen. Nachdem die Shiekah zurückgekehrt sind, haben sie wieder angefangen, auch den Canyon rechtmäßig zu beanspruchen und strikt niemanden hineingelassen, der nicht zu uns gehört hat.“
„Das hab ich am eigenen Leib erfahren.“, schnaubte Moe.
„Nun, mich haben sie wegen gewisser Umstände zwar nur teilweise toleriert, aber aufgrund der Tatsache, dass Igos mein Urgroßonkel war, mussten sie mich akzeptieren. Schlussendlich hat eine Katastrophe sie dann dazu gebracht, mich einstimmig als König an zu erkennen. Ja, Ikana und Termina sind zwei verschiedene Paar Schuhe und ich wollte sie auch nie zusammenlegen, aber seitdem ich beides unter meiner Nase hab, musste ich feststellen, dass doch gewisse Barrieren gebrochen sind.“, Link war sichtlich überrascht, da er zudem nicht alles wortwörtlich verstand, jedoch wusste, worum es ging.
„Äh – Moment mal – “, Boro zog verwirrt eine Augenbraue hoch, wobei sein Auge besser zum Vorschein kam. „D-?“, deutete er auf Kafei. „Der Bürgermeister von T– ?“
„Überrascht?“, grinste Kafei.
„Das – das glaube ich jetzt nicht! Du hast uns verarscht?“
„Ja, hat er.“, bestätigte Link lächelnd, den Kopf schüttelnd, bei der Erinnerung an das was Anju ihm von dieser lächerlichen Aktion erzählt hatte. „Ich hab es ihm nie verziehen.“
„Und wie habt ihr euch kennen gelernt?“
„Als ich noch ein Kind war.“, sagte Link. „Ich habe ihm geholfen, zu heiraten. Aber ich musste zurück nach Hyrule und wir haben uns erst sieben Jahre später wiedergesehen.“, gestand er.
„Das – was? “, Boro war verwirrt. „Zurück nach – ? Und ihr seid – “
„Ja. Es hört sich vielleicht etwas kompliziert an, aber das ist es nicht.“
„Und – wartet!“, dämmerte ihm etwas. „Dotour’s Sohn – “
„Ja, der bin ich. Und Anju ist meine Frau.“
„Warte Mal.“, überlegte Boro. „Warte, warte, warte. Dann hast du –?“, er wandte sich wieder an Link. „Du hast Termina vor dem Kleinen Mond gerettet?“, er nickte, da er beschlossen hatte, endlich mit der Wahrheit rauszurücken. „Und zurück nach Hyrule – bist du etwa auch nicht in Unruhstadt aufgewachsen, wie du gesagt hast?“
„Nein.“
„Also jetzt reicht’s mir. Hat irgendjemand was dagegen, wenn wir uns alle zusammen in mein Haus setzen und uns Link über sein Leben aufklärt?“
„Ich weiß nicht – so gut spreche ich – “
„Tu nicht so.“, unterbrach ihn Kafei. „Du erzählst in Hylianisch und ich sag es in ihre Köpfe hinein. Auf telepathischer Ebene versteht man alles. Ich kann ihnen dann gleich Bilder dazu zeigen.“
„Das kannst du?“, fragte Link. „Ach was frag ich eigentlich noch.“
„Das könnte funktionieren.“, überlegte Moe. „Also? Jemand was dagegen?“, niemand schien etwas einwenden zu wollen. „Gut. Abmarsch.“
Es dauerte schon eine Weile, bis jeder einen Platz gefunden hatten, vor allem da Boro darauf bestanden hatte, sie alle mit Getränken zu versorgen. Boro saß mit dem Paar und Moe am Esstisch. Kafei weihte alle ein, was nun geschehen würde, damit sie nicht erschraken. Link begann, fairerweise, am Anfang seines Lebens zu erzählen und Kafei erzählte in den Köpfen aller anderen außer Moe’s nach, mit bildlichen Beispielen, die er teils aus seinen Erinnerungen, teils aus Link’s entnahm.
„Geboren bin ich eigentlich auf Umalidena Ya Ilanueri Momel, einer Insel im Ozean vor Ludien. Sie besteht hauptsächlich aus zwei ziemlich hohen Felsen. Hier ist sie eher als Äußere Insel bekannt, weil Insel des Spiegelnden Wassers einfach viel zu lang ist. Mein Vater war Mitglied der königlichen Leibgarde von Hyrule, also selten zu Hause. Als ich drei Jahre alt war, hat meine Mutter beschlossen, mich mitzunehmen, um ihn zu besuchen. Es sollte ein Überraschungsbesuch werden. Ich kann mich an alles noch so erinnern, als wäre es erst vor ein paar Tagen passiert. Meine Schwester Aril hat einen riesigen Aufstand gemacht, weil sie auch mit wollte, aber sie war noch ein Jahr jünger als ich und meine Mutter wollte nicht auf zwei Kinder aufpassen müssen. Also blieb Aril bei unserer Großmutter zurück. Es war eine lange, anstrengende Reise. Wir waren beide ziemlich erschöpft, als wir endlich im Schloss angekommen sind. Dann wollten sie uns nicht einmal hineinlassen. Aber ein kleines Mädchen, etwas älter als ich, hat uns reingeschmuggelt. Sie hat uns nicht einmal verraten, wer sie war. Inzwischen weiß ich, dass es Prinzessin Zelda war. Jedenfalls sind wir endlich vor meinem Vater gestanden. Er war so fassungslos, uns zu sehen.“
„Ich nehme an, du erzählst uns das, weil etwas pass– “, unterbrach Moe.
„Ja. Es gab einen unvorhergesehenen Angriff auf das Schloss. Meine Mutter musste mit mir flüchten. Wir haben Vater’s Pferd genommen. Mutter wollte nicht, dass ich mich umsehe. Aber ich hab es getan. In diesem Moment wurde er von hinten erstochen. Er hat mir aus der Ferne in die Augen gesehen. Ich hab es gespürt. Wir ritten hinaus in die Steppe. Man – man hat mit Pfeilen nach uns geschossen. Mutter wurde zwei Mal getroffen.“, Link musste kurz schlucken. „Wir haben es bis in den Süden geschafft. Bis and den Rand der Verlorenen Wälder. Dort ist sie vom Pferd gesackt und auf der Hängebrücke nach Kokiri liegen geblieben. Ganze zwei Tage und Nächte bin ich nicht von ihrer Seite gewichen. Auch das Pferd nicht. Ich bin auch bei ihr geblieben, als sie die Augen nicht mehr öffnen konnte.“
Er wischte sich kurz eine Träne aus dem Gesicht. Kafei nahm seine andere Hand am Tisch und hielt sie zärtlich fest.
„Ein Kokiri-Mädchen hat uns gefunden. Salia. Sie war zwar die geistige Anführerin des Volkes, aber aufgrund irgendwelcher Traditionen nie rechtmäßig, da nur Männer als Oberhaupt erlaubt waren. Sie hat aber das Pferd in die Freiheit entlassen und dafür gesorgt, dass ich im Dorf bleiben kann. Ich bin als einer von ihnen aufgewachsen, aber von Mido, dem eigentlichen Oberhaupt, nie anerkannt worden. Ständig war es meine Schuld, wenn etwas nicht so lief, wie er es sich wünschte. Ich war ja seiner Meinung nach auch für sämtliche Arten von schlechtem Wetter verantwortlich.“
„Das war also diese seltsame Sprache?“, unterbrach Moe ihn abermals ebenfalls Hylianisch sprechend. „Als du dich – damals bei der Jagd – vor das Reh gekniet hast, das du geschossen hast und – was hast du da eigentlich gesagt? Beim ersten Mal hat es mich sehr verwundert, aber ich habe mich nie überwinden können, danach zu fragen.“
„Ich habe mich bei den Göttinnen entschuldigt, dass ich ein unschuldiges Wesen des Waldes aus dem Leben gerissen habe und gebeten, dass sie ihm mehr Gnade gewähren, als ich. Es klingt vielleicht merkwürdig, aber die Kokiri machen das so, wenn sie ein verletztes Tier finden, das sie nicht retten können. Sie haben es übrigens gesehen. Eigentlich haben sie uns ausnahmslos jedes Mal beobachtet.“
„Was – doch nicht etwa diese kleinen Kobolde in den Ästen?“
„Ja. Kokiri sind Gestaltwandler. Sie verwandeln sich in kleine Bäume, um nicht erkannt zu werden. Aber lassen wir das. Nach etlichen Jahren wurde mir endlich eine Fee zugeteilt, Navi, wenn ihr euch noch erinnert. Ich war schlussendlich ein vollwertiger Kokiri. Allerdings sollte ich dem Dekubaum gegenübertreten. Mido hat mich natürlich nicht ohne Schwert und Schild durchgelassen, da er seine Arroganz ausleben wollte. Das einzige Schwert im Dorf war das zeremonielle Schwert der Kokiri, ein Geschenk der Königsfamilie, das aber vor mir nie jemand benutzt hat. Und es war nicht wirklich leicht zu bekommen. Aber er war irgendwie sehr fasziniert, als er mich damit gesehen hat und hat mich durchgelassen. Vom Dekubaum musste ich dann erfahren, dass ich auserwählt wäre, Hyrule vor den Mächten des Bösen zu beschützen.“
Er versuchte, seine ganzen Rettungsgeschichten möglichst kurz zu halten, driftete aber dennoch immer wieder in Details ab, hauptsächlich aufgrund der vielen Fragen die ihm gestellt wurden. Alle lauschten ihm gebannt bis zum Schluss. Boro musste mehrmals nachschenken, Essen verteilen und auch irgendwann einmal das Kaminfeuer, sowie sämtliche Kerzenleuchter entzünden. Nicht einmal Kafei wurde müde und blieb standhafter Übersetzer. Endlich war Link dort angekommen, wo sie sich nun zeitlich befanden.
Er selbst war völlig geschafft. Etwas schwerfällig drehte er den Kopf zum Fenster, vor dem es stockdunkel war, bis auf die wenigen Lichtstrahlen, die auf ihre schlafenden Pferde fielen. Eigentlich hatte er nicht vorgehabt, einen halben Tag damit zu zu bringen, über sein Leben zu reden, und da er noch nie so viel auf einmal gesprochen hatte, wusste er, dass es ihn nicht zu wundern brauchte, wenn er am nächsten Tag Muskelkrämpfe in der Zunge hatte.
„So. Ja. Das war’s.“, seufzte er. „Achtzehn Jahre Wahnsinn in – Kurzform.“, schmunzelte er.
„Weißt du, Junge,“, hauchte Moe, mit dem rechten Wangenknochen seines schläfrigen Gesichts am Handballen aufgestützt, „Langsam frag ich mich, was für ein verschlafenes Leben ich eigentlich geführt hab.“, damit brachte er restlos alle zum Lachen.
„Und das stimmt alles genau so?“, fragte Betty.
„Ja.“
„Die volle Wahrheit?“
„Voll und ganz. Wenn ich aber alles noch genauer erzählt hätte, würden wir in fünfzig Jahren noch hier sitzen.“
„Na jetzt übertreib nicht.“, kicherte Kafei.
„Achtzehn?“, lachte Link.
„Ich meinte, von wegen alles genau zu erzählen.“
„Woran du schon wieder denkst. Du hast nicht zufällig eine genau funktionierende, innere Uhr, die mir sagen kann, wie spät es ist? Sirileij hat gemeint, du könntest das.“
„Wenn ich wollte, ja. Aber – “, er zog eine runde, goldene, aufklappbare Taschenuhr aus der Hosentasche, die genau so funktionierte wie die anderen Uhren in Unruhstadt.
„Whow! Seit wann hast du denn so was?“, nicht nur Link war interessiert, auch wenn die anderen nichts damit anfangen konnten.
„Ist ein Prototyp. Aber sie funktioniert einwandfrei. Ich denke, ich kann die Erlaubnis zur Produktion unterzeichen. Also – was spricht sie – “
„Verdammt. Fünf Minuten nach halb zehn. Hab ich echt fast den halben Tag lang erzählt?“
„Wir sind um Drei gekommen. Also hör auf, zu übertreiben.“
„Was ist das?“, fragte Taro.
„Eine Uhr.“, klärte Kafei auf. „Sie zeigt die genaue Zeit an.“
„Wie macht sie das?“
„Im Inneren schwingt eine Metallfeder, die sich durch ihr Schwingen immer wieder selbst zum Schwingen bringt. Dadurch werden kleine Räder angedreht, die das Ziffernblatt drehen. Unser Planet dreht sich in einer gewissen Zeit um die Sonne, als auch um die eigene Achse. Genau dieses Verhältnis bestimmt die Tageszeiten. Die Unruh, also diese Feder, schwingt im selben Rhythmus.“
„Das ist ja kompliziert.“, jammerte Ilya.
„Wenn man nichts davon versteht, ja. Aber im Grunde ist es ein simples, Prinzip von Ursache und Wirkung.“
„Was für ein Prinzip?“
„Nicht so wichtig.“, gluckste Link. „Es ist kompliziert. Eine Frage, Moe. Ist mein Haus noch frei? Wir müssten wo übernachten.“
„Es steht noch immer leer. Weißt du, es kommen nicht viele Leute mit der Absicht nach Ordon, die du damals hattest. Trotzdem versuche ich, es instand zu halten. Man weiß ja nie. Ich begleite euch, wenn das in Ordnung ist?“, Link als auch Kafei nickten.
Sie wünschten allen anderen eine Gute Nacht, Moe gab seinen beiden Kindern einen Kuss auf die Stirn, küsste auch seine Frau und folgte dem Paar nach draußen, wo diese ihre Pferde kuschelnd fanden.
„Äh – seit wann – “, hauchte Link, eine Augenbraue hochziehend. „Sie kuschelt doch sonst nur mit mir!“
„Vielleicht bevorzugt sie doch einen etwas älteren Herren ihrer eigenen Art?“
„Etwas älterer Herr? Dein Hengst ist mehrere hundert Jahre alt!“
„Aber deiner Stute offenbar noch gut genug.“, schmunzelte Kafei. „Komm. Lassen wir sie schlafen. Ich denke, sie sind hier genauso in Sicherheit wie vor jedem anderen Haus in diesem Dorf.“
„So.“, sagte Moe, als er die Tür geschlossen hatte. „Macht es euch etwas aus, wenn ich noch schnell was aus meinem Haus hole? Ihr könnt ja ein Stück vorgehen.“
„Ich dachte, du wolltest uns begleiten?“, erinnerte sich Link.
„Sicher. Ich muss nur – “
„Tu dir keinen Zwang an.“, seufzte der Hylianer. „Ich kenn den Weg ja.“
Die Luft war kühl und es lag noch ein Hauch von Schnee in ihr, wenn er auch im Dorf gänzlich geschmolzen war und die Frühlingsblumen in voller Pracht blühten. Außer dem Plätschern des Wassers und ihren Schritten, war kaum ein Geräusch zu hören. Schweigend genossen sie die Ruhe und schlenderten durchs Dorf, sich an den Händen haltend. Link entging nicht, dass Kafei jedes noch so kleine Detail auf sich wirken ließ. So hatte er ihn noch nie gesehen. Vermutlich, weil er ihn noch nie in einer Umgebung gesehen hatte, die ihm unbekannt war.
„So viel zu seiner Begleitung.“, seufzte Kafei, als sie vor dem großen Haus im Baum angekommen waren.
„Also ich kann mich nicht beklagen.“
„Ich auch nicht.“, kicherte Kafei leise. „Hier hast du gewohnt? Alle Achtung.“
„Warte, bis du es von innen siehst.“
„Ein Feenpalast?“, Kafei lächelte ihn leicht verführerisch an, ihre Gesichter nur wenige Finger breit voneinander entfernt. „Oh.“, das Lächeln war ihm bei Link’s Ausdruck sofort vergangen. „Tut mir leid – ich – das wollte ich nicht – “
„Schon gut.“, schmunzelte Link. „Ich weiß, wie du das gemeint hast. Ist nicht deine Schuld, dass du mich an Navi erinnert hast.“, er küsste ihn sanft, nicht unerwidert.
Beide hätten alles dafür gegeben, in dem Jahr das Link in Ordon verbracht hatte, nur ein einziges Mal so hier stehen zu dürfen. Doch leider hatte es ihnen ihr Gewissen verboten. Dafür war es jetzt umso schöner. Bis auf –
„Wart ihr vielleicht schnell.“, keuchte Moe. „Tut mir leid, dass ich – oh.“, er hatte endlich bemerkt, wobei er sie unterbrochen hatte. „Tut mir so leid. Ich wollte euch wirklich nicht – “
„Nicht weiter schlimm.“, meinte Link.
„Wenn du es sagst – “
„Ich geh schon mal rein.“, flüsterte Kafei.
„Was?“, hauchte Link.
„Ich denke nicht, dass das, was er geholt hat, für mich bestimmt ist.“
„Kafei – “, dieser gab ihm nur einen kleinen Kuss und kletterte die Leiter nach oben.
„Der Schlüssel ist – “, begann Moe, doch Kafei hatte die Tür schon mit einer sachten Handbewegung aufgesperrt. „Hinter dem Ast links oben.“, hauchte er verdattert zu Ende, als Kafei mit einem Lächeln verschwand und die Tür hinter sich schloss. „Wie hat er – ?“
„Er ist ein Shiekah, wie du ja so schnell bemerkt hast. Er braucht selten einen Schlüssel. Dennoch hat jede kleinere Tür in Ikana ein Schloss. Man weiß ja nie.“
„Und dir größeren nicht?“
„Runde Steinplatten, die schon mehr als nur einen sachten Handwink erfordern.“
„Was kann er noch?“
„Frag mich lieber, was er nicht kann.“
„Also – was kann er nicht?“, gluckste Moe.
„Sich selbst verzeihen, wenn er meint, einen Fehler gemacht zu haben.“, entgegnete Link entschieden. „Bist du auch auf die Hochzeit eingeladen? Ich meine, immerhin hast du Hyrule große Dienste erwiesen.“
„Das ganze Dorf ist eingeladen.“
„Alle?“
„Einfach alle. Nur die Ziegen, Katzen, Fische, Frösche und Hühner bleiben hier.“, scherzte Moe.
„Ha, ha.“
„Wie ist das für dich? Der Gedanke, dass sie heiraten wird?“
„Wie soll es schon sein? Wir haben uns immer sehr nahe gestanden. Wohl am meisten vielleicht wegen unserer Bestimmung.“, Link zeigte ihm kurz seinen linken Handrücken, woraufhin Moe wissend nickte. „Aber wir sind über die Jahre auch gute Freunde geworden, wenn nicht fast wie Geschwister. Wir haben uns auch so gestritten. Das weiß ich, weil es auch meine Schwester in der kurzen Zeit, die wir miteinander hatten, nicht lassen konnte. Der einzige Unterschied ist nur, dass Zelda irgendwann andere Gefühle für mich entwickelt hat – und die hat sie noch immer.“
„Und trotzdem will sie heiraten?“
„Ja. Ich freue mich natürlich für sie. Auch für Vaati, eigentlich. Aber hauptsächlich mache ich mir Sorgen um ihn. Ich weiß nämlich nicht, ob ihm tatsächlich bewusst ist, worauf er sich da einlässt. Sag mal – was musstest du denn so dringend holen?“
„Ach ja.“, er ging die fehlenden Schritte auf Link zu, hob die rechte Hand und starrte auf seine eigene, geschlossene Faust. „Das wollte ich dir schon geben, bevor du nach Termina zurückgeritten bist. Irgendwie hat es aber nicht gepasst. Mach die Hand auf.“
Link tat wie geheißen und streckte ihm die flache linke Hand entgegen. Moe legte seine Faust darauf und Link spürte, wie etwas Warmes, Festes, aber auch Zierliches hineinglitt. Als Moe seine Hand leicht anhob, sah Link, dass es ein kleiner, plastischer, goldener Anhänger in Form des Zeichens der Goldenen Göttinnen war. Er war in etwa so groß wie das vorderste Glied von Link’s kleinem Finger und hing an einem goldenen Kettchen.
„Das – “
„Ich weiß, du hast es nicht nötig, weil dich zumindest eine von ihnen ständig mit einem Auge beobachtet. Aber ich dachte, vielleicht hat sie einmal kein Auge frei. Außerdem schadet es nie, das Zeichen seiner Götter mit sich zu tragen. Nicht einmal jemandem, der es ohnehin tut, denke ich.“
„Das – kann ich nicht annehmen. Es muss dich ein Vermögen gekostet haben.“, hauchte Link.
„Ich habe es gegen ein Kurzschwert eingetauscht, um ehrlich zu sein. Aber das war es mir wert. Selbst wenn es unecht gewesen wäre, was ich natürlich überprüft habe.“, Link konnte ein Glucksen nicht zurückhalten.
„Danke.“
~o~0~O~0~o~
„So.“, seufzte Link. „Willst du da unbedingt hin?“
„Wieso nicht? Ich kann mich doch mit dir von Ast zu Ast teleportieren.“
„Das mein ich nicht. Sondern ob du das wirklich willst. Die Zitadelle ist zwar auch jetzt noch imposant, aber – “
„Mit welchen Bedenken kämpfst du jetzt schon wieder.“, kicherte Kafei. „Jetzt sind wir schon hier, oder?“
Er nahm Link’s Hand und konzentrierte sich. Und wieder. Und ein weiteres Mal. Aber sie bewegten sich nicht vom Fleck.
„Kiritrega.“
„Geht’s nicht?“
„Nein. Der Ort ist zu heilig. Ich schätze, ich werde wohl alleine hin finden müssen.“
„Vergiss es. Wenn, dann gehen wir beide.“
„Und wie stellst du dir das vor?“
Link rannte ein Stück die dicke, hohle Wurzel hinauf und sprang auf eine der freigelegten Abzweigungen herab. Sich immer wieder seitlich abstoßend um Schwung zu holen, lief er weiter von Wurzel zu Wurzel und verschwand im Durchgang.
„Also doch.“, gluckste Kafei zu sich selbst. „Sirileij, du Gaunerin.“
Mit noch größerer Leichtigkeit nahm er den selben Weg. Nicht viel langsamer hatten sie den Eingang in die verwachsenen Ruinen erreicht, doch Link’s Sinne schlugen Alarm. Beinahe hätte ihm Kafei den ausgestreckten Arm weggerissen, als er ihn damit zum Stehen gebracht hatte. Angestrengt lauschend ignorierte er Kafei’s fragenden Blick.
„Wir sind nicht allein.“, flüsterte Link so leise er konnte.
„Kokiri?“, hauchte Kafei zurück.
„Nein. Es ist größer.“
„Jetzt spür ich es auch. Es – fühlt sich nicht gut an.“
„Ich weiß. Das Dumme ist nur,“
Nun wusste er, warum er nichts gegen seine eigene Intuition einzuwenden gehabt hatte, sich voll zu bewaffnen. Blitzschnell aber ohne Kafei erschrecken zu können, hatte er Masterschwert und Schild gezogen.
„Ich weiß ganz genau, was es ist. Aber ich frage mich, warum es nicht angreift.“
„Ein Stal.“
„Ja.“, bestätigte Link, ahnend, dass Kafei nicht geraten hatte. „Schaffst du es, dich umzus– “
Nicht nur er hatte die Schritte gehört. Auch Kafei drehte sich augenblicklich nach links. Was Link allerdings wunderte, war dass das Knochenwesen unbewaffnet zu sein schien. Zwar hatte es den typisch staksenden Gang, so wie es sich einen Weg vorbei an den überwucherten Steinblöcken suchte, aber es wirkte mehr neugierig, als angriffslustig. Dennoch änderte Link nicht seine kampfbereite Haltung.
„Link – “
Wenn er nicht seine Stimme gekannt hätte, hätte er es vermutlich für den Wind gehalten. Kafei ging ganz langsam hinten um ihn herum und drückte Link’s linken Arm nach unten, womit er ihn dazu zwang, das Schwert zu senken.
„Was tust du da!“, zischte Link verwirrt.
„Sieh doch – “
„Was!“
„Sieh dir die Kleidung an!“
„Wohl eher, die dreckigen Stofffetzen.“
„Sie dir die Halskette an. Die Kopfform.“
Link war eigentlich mehr damit beschäftigt gewesen, die Augen des Wesens genau zu beobachten, so wie er es immer getan hatte. Denn Stals hatten den für sie gravierenden Nachteil, dass man an der Intensität des Glühens ihrer Augen deuten konnte, wann sie zum Angriff ansetzen wollten.
„Ehrlich, mich interessiert weniger, wie der Schädel aussieht, als wie ich ihn abbekomme.“
Als hätte es die Feindseligkeit der Worte verstanden bewegte sich das Knochenwesen mit wild flammenden Augen so schnell auf sie zu, wie es nur konnte und Link drückte Kafei beiseite. Doch dieser hatte sogleich wieder seine Hand auf Link’s Arm und erhob seinen eigenen, die flache Hand dem Stal flach entgegengestreckt.
„Halt!“, es war beinahe ein Flehen, aber es reichte aus, um ihren Gegner zum Stehen zu bringen, wenn auch kein Schutt mehr zwischen ihnen war. „Nicht! Alle beide!“
„Kafei! Was zum – “
„Erkennst du sie nicht?“
„Sie?“, fauchte Link ihn an.
„Sieh doch mal genauer hin!“
„Wieso – “
„Link! Jetzt reiß dich zusammen und sieh sie an! Und dann versuch mir zu sagen, du würdest sie nicht wiedererkennen.“
Etwas in Panik, gab er schließlich doch nach und tat es, wohl nur in der Hoffnung, Kafei zu Sinnen zu bringen. Aber er hatte Recht. Wenn auch nicht mehr viel von der Kleidung übrig war, irgendwie klingelte etwas bei ihm. Wohl mehr waren es noch, wie Kafei schon bemerkt hatte, Halskette und Schädelform. Etwas anderes in ihm begann plötzlich zu begreifen, dass auch ihr Gegenüber sie erkannt haben musste. Da war mit einem Mal eine Art Wehmut in den leblosen leuchtenden Augen, die er noch nie bei einem Stal gesehen hatte.
Doch, er hatte. Und zwar bei einem der größten denen er je begegnet war. Bei einem Riesen. Einem Hauptmann. Es war die Verzweiflung eines aufkommenden Bewusstseins. Der Realisation, des eigenen Übergangs in den Tod. Einen verfluchten Tod.
Zögerlich bewegte die einstige Frau ihr fleischloses Kiefer, so als ob sie ihnen etwas zu sagen versuchte.
„Und was jetzt?“, jammerte Link.
„Was. Willst du sie etwa – töten? Sie ist schon tot.“
„Das weiß ich doch!“, zischte er. „Darf ich ihr also endlich den Kopf abhacken?“
„Link!“
„Was!“
„Ist dir eigentlich klar, was du da sagst?“
„Was jetzt. Ich soll sie verschonen? Dir ist aber schon klar, dass ich sie im Grunde dadurch erlösen würde?“
„L– ich – “
„Ja?“, auch in Kafei’s Augen stand nun eine Traurigkeit, die ihn fast zur Verzweiflung trieb.
„Nein.“, sagte er dann doch entschieden. „Lass sie gehen. Sie ist jetzt eine Wächterin des Waldes. Gib ihr die Chance, Gutes zu tun, indem sie diese Ruinen bewacht.“
Offenbar verstand sie wirklich, was er sagte, denn ihre Körperhaltung wurde etwas gestreckter und auch ihr Mund schloss sich. Aber dann öffnete sie ihn wieder, ließ die Zähne aufeinanderklackern. Ein weiteres Mal. Dann noch zwei Male.
„Tut mir leid, ich versteh nicht – “, hauchte Kafei. „Oh.“
„Was will sie?“, drängte Link, aber Kafei seufzte nur und senkte augenschließend den Kopf. „Kafei?“, dieser schüttelte seinen Kopf und atmete eine Weile nur merklich bewusster, wenngleich auch erkennbar betrübt.
„Nein.“, er hob den Kopf wieder und entgegnete ihrer seltsamerweise deutlich sichtbaren Hoffnung traurige Gewissheit. „Das kann ich nicht.“, wieder klackerte sie mit den Zähnen, nur heftiger, so als flehte sie ihn an. „Das war etwas anderes. Wir sind nicht in Ikana. Ich fürchte, meine Macht reicht dafür nicht aus. Auch nicht jetzt, wo ich – “, er atmete tief ein und aus, „Ich kann dir nicht wünschen, dass du deinen Frieden findest und dann geschieht es. Es würde auch nichts bringen, wenn ich es dir befehle. Du hast meinen Segen, aber mehr kann ich dir nicht geben. Ehrlich nicht. Und glaub mir, ich bin nicht so nachtragend, dass ich es mir nicht für dich wünschen würde. Sicher machen mich viele Erinnerungen noch wütend, aber in Wahrheit habe ich dir längst vergeben.“
Die Art, wie sie es schaffte, Emotionen zu zeigen, obwohl nichts mehr vorhanden war, das Mimik wirklich lesbar machen konnte, überwältigte Link. Erst recht in dem Bewusstsein, wen sie vor sich hatten.
„Hörst du? Ich habe dir verziehen, Anidja. Und ich bitte inständig darum, dass du in Frieden ruhen mögest. Doch das ist alles, was ich – “
Seine Stimme riss ab und Link erkannte warum: fast war es ihm, als hätte er gesehen, wie aus den leeren Augenhöhlen je eine Träne über den blanken Knochen floss, als das Glühen langsam abnahm, verschwand und nur dunkle Tunnel hinterließ. Ein kalter Schauer lief Link über den Rücken. Alles war ganz still, so als ob mit Kafei’s Worten auch der Rest des Waldes gestorben war. Kein Laut, kein Säuseln. Nur sein eigener Herzschlag. Den Atem hielt er an. Für einen Sekundenbruchteil war es, als war er wieder zurück am Friedhof von Ikana, bei genau jenem Kommandanten, den er einst von seinem Fluch erlöst hatte.
So, als hätte sich der Lauf der Zeit für wenige Augenblicke verlangsamt, rutschte ihr Kopf zur Seite. Dann klappte ihr Skelett in sich zusammen. Als der letzte Knochen ins Laub fiel, kehrte der Gesang der Vögel zurück. Auch der Wind. Und nur eine Brise war es, aber stark genug, um Blätter zu bewegen, welche die Knochen als Staub mit sich riss und davontrug.
Neben ihm schluckte Kafei einen Knoten im Hals, der Link regelrecht in den Ohren und im Herz schmerzte. Er steckte Schwert und Schild wieder zurück und nahm ihn behutsam in die Arme. Fast lautlos weinte Kafei in seine Schulter. Für wie lange, wusste keiner der beiden.
Irgendwann, Stunden später, so schien es Link, hob Kafei den Kopf wieder, und auch seine Tränen waren verflogen. Mit sanftem Lächeln lösten sie ihre Umarmung und machten sich auf, die Ruinen zu durchqueren, was sie dann doch binnen kürzester Zeit schafften, da Link den Weg inzwischen auswendig kannte. Zum Glück waren alle Durchgänge frei und sie fanden sich bald in den Überresten der einst riesigen Halle wieder.
„Das – ist durchaus mächtig.“, hauchte Kafei.
„Das ganze Gebiet hier war vor dem Erdbeben eine einzige Tempelanlage. Der Waldschrein und der Zeitschrein mit der Zitadelle. Ich hab zwar damals nicht daran gedacht, eine unterirdische Verbindung zwischen den beiden Waldschreinen zu suchen, aber es hat sie sicher gegeben, davon bin ich überzeugt. Wie du siehst, die meisten Bäume haben das Erdbeben überstanden, aber diese heiligen Bauten nicht.“
„Die Bauten sind nicht heilig. Es ist der Boden, auf dem sie gebaut wurden.“
„Wie auch immer. Durch das Erdbeben sind riesige Bäume freigelegt worden, die schon Jahrtausende unter der Erde gelegen haben müssen. Nicht nur hier, sondern im ganzen Land. Der große Baum am Vorplatz – das war vor ein paar Jahren Fels. Der Westliche Schrein ist in den Fels hineingeschlagen worden. Der Verlauf des Tunnels ist mir schon als Kind eigenartig vorgekommen. Ja, ich weiß. Wir durften nicht in den Wald. Aber was hat mich das gekümmert? Jedenfalls weiß ich jetzt wieso. Sie müssen auf die Wurzel gestoßen sein, die sicher leichter auszuhöhlen war als der Rest des Gesteins. Dort unten hinter den Statuen hab ich mein Schwert gefunden. Das war auch der Eingang zum Zeitschrein, bevor die Heiligen Steine geschaffen wurden. Zelda hat zwar alles wieder so zurück umbauen lassen, aber ich war danach nie drin. Und dann ist alles eingestürzt. Willst du hinunter gehen?“
Kafei nickte und folgte Link durch den eingebrochenen Fußboden. Von unten sah alles noch imposanter aus. Er versuchte sich vorzustellen, wie es einst ausgesehen haben musste. Als er den Blick nach oben richtete, bemerkte er etwas. Es war dunkel, schwebte über ihm und schien sich zu bewegen. Bevor er aber Link darauf ansprechen konnte, hatte dieser etwas anderes entdeckt.
„Das darf doch nicht – nein. Das – “, er war zu einer der Säulen gerannt und starrte auf etwas kurz über der Basis. „Kafei? Sag mir, dass ich mich täusche und das kein Auge ist.“
„Wieso?“, er ging zu ihm und besah es sich selbst. „Doch, das ist ein Auge. Moment mal. Das kenne ich. Siehst du das? “, er holte Chaliém’s Tagebuch heraus und begann zu blättern.
„Ja. Es sieht aus, als würde es ein Schwert zieren.“
„Nein. Kein Schwert. Ein Stab. Mit dem Schwert könntest aber du auch Recht haben. Hier. Das ist eine Skizze vom Zeitenstab.“
„Woher hat er gewusst, wie der Stab ausgesehen hat?“
„Keine Ahnung. Aber die Skizze sieht genau so aus wie die Gravur.“, Kafei sah sich um.
„Ja.“
„Es ist hier überall. Auf jeder Säule zwei mal.“
„Wieso ist mir das nie aufgefallen?“
„Schau mal. Die Säulen sind verputzt. Hier. Der Putz bröckelt ab.“
„Verputzt? Wieso sollte jemand den Zeitenstab in der Zitadelle darstellen und dann überspachteln? Warte. Lass uns durchs Tor gehen.“
„Tor?“, Link deutete nach oben. „Spinnst du?“
„Ach jetzt – es ist harmlos. Uns wird niemand sehen. Komm.“
Seufzend ließ er sich von Link an der Hand zurück hinauf schleifen, wo dieser das Tor öffnete und sie hindurchschritten. Nun stockte Kafei wirklich der Atem. Die Halle war tatsächlich gigantisch groß. Nicht nur das, sondern auch einmalig schön. Während Link schon zu den Säulen nach unten lief, ließ Kafei den Eindruck ehrfürchtig auf sich wirken. In diesen Momenten war er wahrlich stolz auf seinen Ahnen, der solch eine architektonische Schönheit in Auftrag gegeben hatte, wenn auch nichts den Baustilen Ikanas entsprach. Er hatte keine Ahnung gehabt, dass solch ein Entgegenkommen Hyrule gegenüber überhaupt möglich gewesen war. Hatten alle Unrecht, mit ihrem Glauben, dass auch damals große ideologische Klüfte geherrscht hatten? War Toleranz mehr als nur eine Erscheinung seiner eigenen Zeit?
Das morgendliche Licht schimmerte fahl und mystisch durch die hohen Fenster und erfüllte die weiße Halle mit Magie. Etwas Vergleichbares hatte Kafei noch nicht – doch, das hatte er. Aber er war zu beschäftigt damit gewesen, Din zuzuhören. Wenn aber diese Halle es schaffte, so viel vom Heiligen Reich widerzuspiegeln – im wahrsten Sinne, denn der glatte Steinboden verdoppelte die Zitadelle beinahe – lagen dann nicht die Hylianer richtiger in der Gestaltung ihre Kultstätten? Oder war es doch ein Frevel? Die Heimat der Götter durch bautechnische Geniestreiche so sehr zu kopieren?
„Sag ich doch. Da ist nichts. Ich bin doch nicht blöd.“, schallte Link’s Stimme von unten herauf. „Das hätte ich doch gesehen.“, nur langsam ging Kafei die lange Treppe hinunter, neugierig zum Durchgang nach vorne sehend, wo geringe bunte Schimmer der farbigen Fenster herausleuchteten. „Oder siehst du hier irgendwo ein Auge?“, Kafei schnaubte genervt und ging zu ihm ums Eck, mit kurzem aber sehr fasziniertem Blick auf die große Eulenstatue.
„Nein. Aber warte – “, er fixierte die Verzierungen und seine Augen begannen kurz leicht zu leuchten. „Aber es ist da. Wie gesagt. Unter dem Putz.“
„Damals schon.“, hauchte Link.
„Diese Statue – kannst du die – “, Link holte den Kopierstab heraus, schoss den Lichtball darauf und führte sie aus der Wand. „Verrückt. Was ist da – “
„Da drinnen ist nichts. Nur eine Truhe die ich ausgeleert hab. Auch kaum Wanddekorationen. Willst du weiter hinein?“
„Nicht allzu weit.“
„Na dann komm.“
Kafei blieb fast das Herz stehen, als er den lichterfüllten, achteckigen Raum sah. Link rannte die sphärischen Stufen hinauf und winkte ihn hinterher. Kafei aber bevorzugte es, zu genießen. Er wollte jedes Detail dieses Heiligtums in sich aufnehmen. Bei den Stufen wurde er aber leicht misstrauisch. Nicht etwa weil er zweifelte, dass sie auch ihn hielten. Es war die Farbe. Dennoch beschloss er Link zu folgen, der ihn durch den ersten Raum führte, der vor Symbolen nur so strotzte. Teilweise kannte er die Ornamente ohnehin; an andere erinnerte er sich, sie im Tagebuch gesehen zu haben. Er hatte gedacht, er hätte Chaliém gekannt. Tatsächlich wusste er nichts über seinen toten Freund und sein Tagebuch legte Kafei noch mehr Rätsel auf.
Etwas widerwillig folgte er Link durch den Korridor mit Fallen, der dem was er zuvor gesehen hatte, ganz und gar nicht ähnelte. Auch der Raum dahinter war, mit Ausnahme der Überdimensionalität, das vollkommene Gegenteil. Er wirkte eher wie ein riesiger Zisternenraum, vier Öffnungen in der ebenen Raumdecke. Er war rund und in vier gleichmäßig verteilten, mit Säulen flankierten Nischen standen riesige, plumpe Statuen mit je einer erhobenen Faust. Link richtete demonstrativ den Kopierstab auf die ihm am nächsten stehende Statue, holte damit aus und die Faust krachte mit einem hallenden Donnern auf den Steinboden.
„Damit hab ich diese riesige Spinne erschlagen.“, grinste Link wie ein kleines Kind.
„Lass uns hier verschwinden.“, murmelte Kafei nur.
„Ich weiß. Der Raum ist unheimlich. Ganz anders als die anderen Räume.“
„Bitte lass uns von hier verschwinden.“
„Was ist los?“, wachte Link glücklicherweise auf.
„Mir ist einfach nicht wohl bei dem Gedanken, mich so viele Jahrhunderte vor meiner Geburt zu befinden. Und dieser Raum – er – “
„Ich weiß. Es ist ein eigenartiges Gefühl. Aber man gewöhnt sich dar- Kafei?“, dessen umherwandernder Blick wurde zunehmend nervöser und ängstlicher.
„Bitte. Lass uns einfach nur zurückgehen.“
„In Ordnung.“
Wieder in der Gegenwart, lehnte Kafei sich schlaff an die Wand gegenüber des Tores. Langsam sackte er daran herunter. Link setzte sich zu ihm und nahm ihn in die Arme.
„Was war da drinnen wirklich los?“, Kafei schüttelte den Kopf und schluckte. „War es Anidja? Ich weiß, das nagt selbst an mir, aber – “, wieder schüttelte Kafei den Kopf.
„Lies das hier.“, er hielt ihm die Seite des Tagebuchs auf, auf der die farbige Skizze des Zeitenstabs war.
„So gut kann ich noch nicht Shiekjiarnjinjú. Und was ist das überhaupt für eine Schrift.“, Kafei seufzte kurz und übersetzte.
„`Des Todes Schwert ist die Zeit. Wenn er hat gerichtet sein Auge auf dich, so holt er aus und deine Zeit ist vorüber.´ Das ist eine alte Redensart. Sie steht auch auf der Mauer hinter den beiden Wächtern. Immer wieder. Aber hier. Im Buch – darüber hat Chaliém eine Notiz gemacht. `Und die Zeit ist vorbei. Sie hat sich in Luft aufgelöst? Nein. Zerstückelt wurde sie. Der Fürst der Finsternis hat sich ein neues Schwert daraus geschmiedet. Die Schlange auf der anderen Seite der Medaille.´ Er hat viele Notizen dieser Art gemacht. Aber siehst du? Deshalb hab ich gesagt, dass du mit deiner Interpretation eines Schwertes vielleicht gar nicht so falsch liegst. Der Zeitenstab ist ebenfalls verschwunden. Das meint er hier mit, ob er sich in Luft aufgelöst hat. Nein, er wurde zerstückelt. Er wurde zu einem Schwert umgeschmiedet. Der Fürst der Finsternis hat den Zeitenstab zu einem Schwert umgeschmiedet. Ich denke, das will er uns damit sagen. Die Schlange wird in vielen Kulturen als negativ angesehen.“
„Bei den Gerudo wird sie verehrt.“
„Ja.“
„Warte mal – “, Link war es wieder einmal, als würde sich ein großes Puzzle zusammensetzen. „Nicht nur die Gerudo. Die Twili! Das Schattenvolk! Sie verwenden Schlangen für gewisse Verzierungen! Der Fürst der Finsternis. Ein Schwert. Die Schlange – andere Seite der Medaille – das Schattenreich, ja! Zanto – er – er hatte dieses große Schwert mit einer Schlange darauf. Damit hat er – auf dem Knauf war ein Auge! Dieses Auge!“, Link fuchtelte mit dem Finger darauf. „Er – hat – den Zeitenstab umgeschmiedet.“
„Und dieses Volk stammt von Schwerverbrechern ab. Sie – “
„Ich weiß. Sie wurden ins Schattenreich verbannt. Naja – vielleicht war’s nicht Zanto. Immerhin ist der Stab schon lange verschwunden, oder? Aber es war zumindest einer seiner Vorfahren, der den Stab mit sich genommen hat, bevor man ihn gebannt hat.“
„Warum wusste er das alles?“, hauchte Kafei. „Das kann er nicht alles von den Hohepriestern haben. Das sind Dinge, die sie unmöglich gewusst haben können. Warum – warum ist die Uhr gefallen?“
„Was?“
„Mach dieses Tor bitte wieder zu.“, er flüsterte bereits, den Blick ins Nichts gerichtet.
„Oh.“, Link stand auf und zog die Torflügel zu.
„Nicht so.“
„Was?“, zischte Link? „Wie dann?“
„Versiegle es.“
„Und wie?“
„Na – wie du es geöffnet hast.“
„Wieso?“
„Bitte.“
„Ist es – wegen diesem einen Raum?“
„Bitte.“, wiederholte Kafei. „Versiegle es. Sonst mach ich es.“
„Du? Und wie bitte?“
Er stand auf, sprang über die eingestürzten Stiegen nach unten und verschwand im Durchgang, Link auf den Fersen. Als dieser aufgeholt hatte, stand Kafei vor dem Podest, ein Schwert in der Hand, das Link noch nie gesehen hatte. Es wirkte wie eine Mischung aus dem Masterschwert und Zelda’s Schwert, auch wenn seine Formen einen eher kristallinen Eindruck machten. Er konnte es aber schon auf den ersten Blick mit Ikana in Verbindung bringen. Die Klinge schimmerte leicht kupfern und am fächerförmigen Knauf des goldenen Griffs waren drei dreieckige, nach außen zeigende grünen Edelsteine eingelassen. Auf der Klinge war das königliche Emblem Ikanas eingraviert, mit der unten angefügten Träne dem Griff zugewandt. Den Mittelpunkt bildete jedoch nicht wie üblich ein Kreis, sondern das Zeichen der Göttinnen.
Kafei steckte das Schwert in den Sockel und eine Druckwelle ging davon aus. Als Link das Tor entsiegelt hatte, hatte es sich auch so angefühlt. Perplex starrte er Kafei an, der das Schwert wieder heraus zog.
„Seit wann hast du ein Heiliges Schwert?“
„Sollte ich denn keines haben?“, schmunzelte Kafei. „Ich hab es in den Königsgräbern entdeckt. Bei Hethriol’s Sarkophag. Muss ich noch mehr sagen?“
„Nein. Darf ich mal?“
„Sicher.“
„Verdammt! Zelda hatte Recht. Es ist wirklich schwer.“
„Bestimmung ist Bestimmung, oder?“
„Ja.“, hauchte Link und gab ihm das Schwert zurück. „Meine Güte! Zelda!“
Ihm war wieder eingefallen, weswegen sie eigentlich hier waren. Kafei ließ das Schwert verschwinden und sie begaben sich so schnell sie konnten zu ihren Pferden zurück. Im Eiltempo verließen sie auch die Wälder. Wäre Ijaron ein dummer Hengst gewesen und nicht automatisch Epona gefolgt, so hätte Kafei ihn wohl in einen Baum gesteuert, als er zum Schloss in der Ferne starrte. Erst als selbiger Baum sein Blickfeld kreuzte, kam er wieder zu sich und konzentrierte sich auf seine nähere Umgebung. Anstatt sich dem Schloss jedoch von Süden her zu nähern, ritt Link in Richtung Hyliasee.
„Äh – “, bemerkte Kafei, „Ich glaube, dort rechts hinten war auch ein Weg. Oder ist der versperrt?“
„Nein. Ich muss dir vorher noch was zeigen. Auch wenn wir es etwas eilig haben, dafür lass ich Zelda gerne warten.“
Allmählich kam die Brücke in Sicht und Kafei aus dem Staunen nicht mehr heraus. Allerdings war die Brücke noch eine schönes Stück weg. Trotzdem hielt Kafei an und genoss den Ausblick über das erste Stück des Hyliasees. Er wollte schon absteigen, wurde aber von Link simpel daran gehindert, da dieser einfach weiterritt. Auf dem restlichen Weg bis zur Brücke legte ganz eindeutig Kafei das Tempo vor. Kurz bevor sie das sehr belebte Monument erreichten, trieb er Ijaron in einen schnellen Galopp und Link jagte Epona lachend hinterher. Die Brücke war so belebt, dass sie leichte Schwierigkeiten hatten, durchzukommen. In exakt ihrer Mitte hielten sie an und stiegen ab. Fasziniert betrachtete Kafei die andere Hälfte des Sees. Das Wasser glitzerte wie Abertausende blaue Feen. In der Ferne hinter der Brücke blitzten blass in weiter Ferne die Dächer von Schloss Hyrule hervor.
„Na?“, grinste Link und zog Kafei an sich. „Zu viel versprochen?“
„Und ich Idiot weigere mich so lange, mein Land zu verlassen.“, hauchte Kafei.
„Tja, es ist sehr schwer, Idioten zu belehren, oder?“
„Wohl wahr.“, kicherte Kafei und gab Link einen dicken Schmatz auf den Mund, ungeachtet aller Blicke, die sie auf sich zogen, schon alleine wegen Kafei’s üppigem blauen Haar und der ikana’schen Tracht die sie trugen, ganz zu schweigen von dem was sie taten.
„Macht Platz für das zukünftige Königspaar! Macht Platz!“, rief jemand und den beiden Pferden wurde ein Weg frei gemacht, welche schleifend zum Halt kamen.
„Da brauchst du fast ein ganzes Jahr um ihn dazu zu überreden, endlich einmal in mein Reich zu kommen! Ein Jahr! Ich muss sogar heiraten, damit ihr kommt! Und kaum seid ihr hier, will er sich umbringen!“, fauchte sie zu Link, der sich, nachdem er Schwert und Schild verschwinden hatte lassen, gebückt hatte und sich an den Bändern seiner Stiefel zu schaffen machte.
„Auch schön, dich zu sehen, Zelda.“, kicherte Kafei und sie umarmten sich kurz, nachdem sie zu ihnen hochgeklettert war. „Wer sagt, dass ich mich umbringen will?“
„Du stehst auf der Mauer der Hyliabrücke und ziehst die Schuhe aus, mit sehnsüchtigem Blick in die Tiefe. Wie sonst kann man das deuten?“
„Wenn ich mich umbringen wollte, würde ich dann die Schuhe ausziehen? Also, Ihr entschuldigst, Majestät?“, er drückte ihr seine Schuhe und das Diadem seiner Mutter in die Arme.
„Ja. Ihr entschuldigt, Eure Hoheit?“, kicherte Link, hob das Diadem auf und legte provokant seine Stiefel dazwischen, nahm Kafei an der Hand und sie sprangen jauchzend von der Kante.
„Hallo, auch.“, hauchte Vaati schmunzelnd.
„Ihr seid solche Idioten.“, raunte Zelda. „Passt wenigstens auf, dass ihr keine Zoras erschlagt!“, rief sie ihnen hinterher.
„Keine Sorge!“, ließ Kafei Link’s Hand los und drehte sich zu ihr zurück. „Wir mögen Fische!“, er streckte ihr die Zunge entgegen, drehte sich wieder zurecht, griff nach Link’s Hand und die beiden tauchten Kerzengerade und gemeinsam ein.
„Und frech auch noch.“, zischte Zelda.
„Lass sie doch, Schatz.“, kicherte Vaati von seinem Pferd zu ihr hoch.
„Vergiss es.“, fauchte die Prinzessin, drückte nun ihm die Schuhe und den Schmuck plus ihre eigenen hinunter in die Arme, zog auch ihr Diadem vom Kopf und thronte es obenauf.
„Was hast du vor?“
„Ich kann diese Kinder doch nicht alleine lassen. Sie verletzen noch jemanden.“, sie streifte ihr schlichtes, weißes Kleid zurecht. „Ach – wärst du bitte so nett und versorgst die Pferde? Danke. Wir sehen uns beim Essen.“, sie wandte sich hämisch grinsend um und stürzte sich zum See hinab.
„Und was soll ich mit dem Zeug hier? Ihr habt alle Medaillons, in denen ihr so etwas aufbewahren könnt!“, keine Antwort. „Tz.“
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